Junge muss sich bei den Schreibaufgaben sehr anstrengen

Legasthenie – Eine Lese- und Rechtschreibstörung

Ob bei der Arbeit oder in der Freizeit – ständig sind wir von Schrift umgeben. Wir lesen die Zeitung, machen uns Notizen, verfassen ein Anschreiben oder antworten einer Bekanntschaft über einen Messengerdienst. All diese Tätigkeiten sind für die meisten selbstverständlich, sodass sie nicht weiter darüber nachdenken. Wer jedoch – wie etwa drei Mio. Menschen in Deutschland – an Legasthenie leidet, für den werden solche Alltäglichkeiten schnell zum unüberwindbaren Hindernis. Im Zuge dieser Lese- und Rechtschreibstörung (LRS) wirken Texte für Betroffene wie eine Aneinanderreihung unverständlicher Codes. Dies sorgt sowohl in der Schule als auch im späteren Leben für erhebliche Einschränkungen.

Was aber sind die Ursachen von Legasthenie und welche Hilfen gibt es?

Noch heute werden Personen mit Legasthenie häufig stigmatisiert. Doch die Lese-Rechtschreib-Störung hat nichts mit Intelligenz oder Talent zu tun – Tatsächlich gibt es viele bekannte und für ihre Leistungen berühmte Legastheniker in der Geschichte. So sollen etwa Albert Einstein, Johannes Gutenberg, John Lennon oder Walt Disney daran gelitten haben. 

  • Hauptursache ist die Schwierigkeit, Laute zu erkennen, abzurufen und im Gehirn abzuspeichern. Man geht davon aus, dass bei Legasthenikern bestimmte Prozesse im Gehirn anders ablaufen. Die Ursprünge sind zu einem großen Teil erblich bedingt: Ist ein Elternteil betroffen steigt das Risiko, dass auch der Nachwuchs an der LRS leidet – Jungen dabei häufiger als Mädchen.
     
  • Die Dyslexie, bei der besonders das Lesen und Textverständnis beeinträchtigt ist, kann ebenfalls erblich bedingt sein oder durch einen Unfall sowie Schlaganfall entstehen. 
     
  • Unterschieden werden muss hingegen zur Lese-Rechtschreib-Schwäche, die durch Unterrichtsversäumnissen – in Folge von Abwesenheit durch Krankheit oder Umzug – bei Kindern entsteht. Auch belastende Lebenssituationen, welche die Konzentration in der Schule negativ beeinflussen, oder nicht verstandene Lernmethoden können dazu führen, dass die Lese- und Schreibfähigkeiten dieser Kinder hinter denen ihrer Altersgenossen zurückbleiben. Durch Nachhilfeunterricht kann dies jedoch gut ausgeglichen werden.
     

Eindeutig kann eine bestehende Legasthenie nur durch einen Arzt oder Psychotherapeuten festgestellt werden – hier kommen bestimmte Tests zur Anwendung. Charakteristische Anzeichen sind aber beispielsweise:

  • niedrige Lesegeschwindigkeit,
  • Auslassen, Vertauschen oder Hinzufügen von Wörtern, Silben oder einzelnen Buchstaben 
  • häufiges Stocken.

Die Betroffenen verlieren zudem oft die Zeile, die sie gerade lesen. Bedingt durch diese Leseschwierigkeiten können sie einen Text im Anschluss nur schwer wiedergeben. Beim Schreiben zeigt sich eine Legasthenie sowohl durch grammatikalische Schwierigkeiten, als auch Fehler in der Rechtschreibung und Kommasetzung. Selbst das Abschreiben von Texten bereitet große Probleme. Eine unleserliche Handschrift ist ein weiteres Merkmal.

Zu den Erschwernissen des alltäglichen Lebens durch die Legasthenie kommen häufig weitere Begleiterscheinungen hinzu. So beeinflusst die Störung u.a. das Arbeitsgedächtnis, die Wahrnehmung und die Verarbeitung von visuellen sowie auditiven Reizen und die Konzentrationsfähigkeit der Betroffenen. In manchen Fällen kann sie mit einer so genannten Dyskalkulie, einer Rechenstörung, Hand in Hand gehen.
Darüber hinaus ist eine bestehende LRS auch eine psychische Belastung: Kinder leiden unter den schulischen Problemen, erhalten bei unerkannter Störung eventuell zusätzlichen Druck oder fühlen sich ausgegrenzt. Im Erwachsenenleben schränkt eine Legasthenie die Berufswahl ein, was eine erhöhte Arbeitslosenquote zur Folge hat. Aus Scham und Angst wenden manche Patienten mit LRS Vermeidungsstrategien an, um das Lesen- und Schreiben zu umgehen.
Diese Folgen können auch das Auftreten von psychischen Symptomen wie Angst, Depression oder Verhaltensstörungen fördern. Deshalb ist es besonders wichtig, eine Lese- und Rechtschreibstörung rechtzeitig zu erkennen und den Betroffenen die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. 

Eine erblich bedingte Lese-Rechtschreibschwäche wird in der Regel niemals gänzlich verschwinden – durch individuelle Förderung können die Probleme jedoch verringert werden. Den Anfang bildet eine medizinische Diagnose: Diese stellen in der Regel Psychiater und Psychotherapeuten. Im Nachhilfeunterricht von ausgebildeten LRS-Therapeuten oder -Förderlehrern eignen sich die Patienten individuelle Lernstrategien an. Ein Hauptaugenmerk liegt aber nicht nur auf der Behandlung der Symptome, sondern auch auf der seelischen Unterstützung.

In den meisten Fällen wird die Legasthenie bereits im Grundschulalter erkannt. Besonders für Kinder sind der emotionale Rückhalt und das Verständnis in der Familie von enormer Wichtigkeit. Nehmen Sie sich als Eltern die Zeit, Ihrem Kind die Situation und seine Schwierigkeiten zu erklären und stärken Sie es in seinem Selbstwertgefühl. Die Bewältigung der Legasthenie ist für alle Beteiligten eine Belastungsprobe: Neben der therapeutischen Förderung sind auch Zuhause zusätzliche Übungseinheiten notwendig, die mit dem Familienalltag in Einklang gebracht werden müssen. Eine eindeutige Diagnose zu haben, kann bereits viel Druck rausnehmen. Unterstützen Sie diesen Prozess, indem Sie die LRS als Herausforderung annehmen, aber nicht zum Dauerthema in Ihrer Familie machen. Vermeiden Sie überhöhte Erwartungen, sondern freuen Sie sich gemeinsam über kleine Erfolge! Um die Lernmotivation zu erhöhen und den schulischen Druck zu mindern, kann die Beantragung eines Nachteilsausgleichs hilfreich sein. Durch diesen werden die Leistungen von Kindern mit Legasthenie anders bewertet. 
 

Unterstützung finden

Suchen Sie sich Hilfsangebote, um die Situation zu meistern. Zahlreiche Informationen sowie eine Therapeutensuche finden Sie beim Bundesverband für Legasthenie und Dyskalkulie.

www.bvl-legasthenie.de

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